Die Pfingstferien stehen vor der Tür – damit geht die Lagersaison endgültig los. Freizeiten sind für viele Jugendgruppen die beste Gelegenheit, tolle Fotos für die Öffentlichkeitsarbeit zu machen – aber wie sieht das mit dem neuen Datenschutzrecht aus, das am 25. Mai (in der Kirche am 24. Mai) in Kraft tritt?
Die Kurzfassung: Die Rechte der Abgebildeten, im Freizeit-Fall also der Kinder (und damit ihrer Eltern, die für sie über die Foto-Einwilligung entscheiden) werden deutlich gestärkt – für das Freizeitteam heißt das: Es wird kompliziert.
Wie immer: Wir können und werden hier keine Rechtsberatung leisten. Rechtlich kommt man auch nicht sonderlich weit – daher haben wir hier zusätzlich zu Links zu rechtlichen Hinweisen Praxistipps gesammelt, die das Problem pädagogisch und kommunikativ angehen.
Rechtliche Situation
Bei Bildern, auf denen Kinder zu erkennen oder durch zusätzliche Informationen zu identifizieren sind, gilt das gleiche wie bei allen personenbezogenen Daten: Es braucht in der Regel eine Einwilligung durch die Eltern, eine transparente Information über Verwendung der Daten, man muss gegenüber den Eltern auskunftsfähig sein, welche Daten (und damit Bilder) vorliegen, und es gibt die Möglichkeit, jederzeit der Nutzung der Bilder zu widersprechen, auch nachträglich. Vor Veröffentlichung müssen die Eltern (so sieht es die Konferenz der katholischen Datenschutzbeauftragten) dem konkreten Bild zustimmen.
Kirchlichen Datenschützer*innen ist es ein besonderes Anliegen, dass gar keine Kinderbilder im Netz zu finden sind. Daher haben die Datenschutzbeauftragten der evangelischen und katholischen Kirche strenge Regeln beschlossen. Die EKD-Datenschützer*innen haben dazu eine ausführlichere Position als die katholischen veröffentlicht. In ihrer Entschließung zur Veröffentlichung von Fotos von Kindern im Internet stellen sie die rechtliche Lage dar und setzen sehr hohe Hürden fest, bevor und wie man ein Bild veröffentlichen darf. Immerhin: Die evangelischen Datenschützer geben eine Checkliste an die Hand, wie das zu erfolgen hat.
Und wie geht man damit jetzt um?
Leider gibt es noch kein rechtlich geprüftes Patentrezept. Stattdessen hier ein paar Links, in denen erläutert wird, wie eine Einwilligung auszusehen hat – aber Achtung: Das katholische Datenschutzgesetz verlangt grundsätzlich immer eine schriftliche Einwilligung und ist in dieser Sache strenger als die DSGVO. Bewusst gibt es hier nicht den einen Link zu der einen Supervorlage – wie gesagt: Hier keine Rechtsberatung, wer wirklich sicher gehen will, muss wohl einen Anwalt bemühen.
- Der Berufsverband der Rechtsjournalisten stellt allgemein vor, wie eine Einwilligung auszusehen hat: Einwilligungserklärung im Datenschutz: Freiwilligkeit, Eindeutigkeit und Widerrufbarkeit
- Foto-Einwilligungen zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit entsprechend der DSGVO erstellen (Christian Eggers, Nordbild)
- Vorsicht, Kamera! – Übersicht zum Bildrecht nach DSGVO bei der Fachzeitschrift Lead Digital
- Fotos und die DS-GVO – und noch eine Übersicht, dieses Mal von einer Anwaltskanzlei
- Übrigens: Nicht immer braucht es eine Einwilligung; hier aber Vorsicht: Bei Fotos mit Kindern lieber auf Nummer sicher gehen! Niko Härting: Beispiel Veranstaltungsfotos: Warum es nach der DSGVO oft sinnvoll ist, auf Einwilligungen zu verzichten
War da nicht was mit Gruppen, Beiwerk und öffentlichen Veranstaltungen?
Ja: Das Kunsturhebergesetz (KUG) regelt einige Ausnahmen, wann es erlaubt ist, Fotos mit Menschen zu veröffentlichen: Bilder der Zeitgeschichte (was genau das ist, ist kompliziert), Bilder, auf denen Personen nur als „Beiwerk“ sind (ich will ein Gebäude fotografieren, aber davor sitzen Menschen), Bilder von öffentlichen Veranstaltungen (z. B. Fronleichnamsprozession), künstlerische Fotos, die nicht auf Bestellung angefertigt wurden. Ein tolles Gesetz, mit dem man bisher hervorragend arbeiten konnte.
Das KUG gibt es weiterhin – nur ist umstritten, ob es weiter gilt. Auch wenn sich zur Zeit die Artikel häufen, in denen Jurist*innen darlegen, warum das KUG weiter gelten soll und auch das Bundesinnenministerium davon ausgeht: Verbände von Journalist*innen, Verlagen und Öffentlichkeitsarbeiter*innen fordern eine rechtliche Klarstellung. Vier von fünf Diözesandatenschutzbeauftragte werden das KUG nicht anwenden, hat mir der bayerische Diözesandatenschutzbeauftragte gesagt. Die Konferenz der staatlichen Landesdatenschutzbeauftragten sagt, dass es für Ausnahmen für die Meinungsfreiheit explizite Regeln braucht, die auf die DSGVO bezug nehmen. Die gibt es gerade nicht – und liest man die Jurist*innen genau, die sagen, das KUG gelte weiter: Irgendwo heißt es immer „das wird schon ein Gericht entscheiden“ – nur kann diese Entscheidung viele Instanzen weit weg sein und teuer werden.
Immerhin: Das ULD Schleswig-Holstein und weitere Landesdatenschutzbehörden werden wohl bei der Abwägung, ob die Veröffentlichung von Bildern in Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht zulässig ist, die Kriterien des KUG anwenden. Nützlich ist hierzu die Handreichung des ULD.
Die Lösung: Werdet kreativ!
Der erste Teil war lang und kompliziert – und ziemlich unbefriedigend. Was jetzt? Gar nicht mehr fotografieren? Kommt nicht in Frage! Bilder, gerade solche in sozialen Netzen, gehören selbstverständlich zu der digitalen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Gegen die rechtlichen Rahmenbedingungen kommt ihr eh nicht an. Aber ihr könnt was draus machen!
Praxistipp: Datensparsame Fotos
Klar: Ihr könnt Gesichter verpixeln oder Fotos oder Menschen veröffentlichen. Das ist hässlich! Aber es gibt auch eine Alternative: Lernen, wie man gute, datensparsame Fotos macht – und zwar technisch wie fotografisch.
Wichtig: Datensparsame Fotos ersetzen nicht die Beschäftigung mit dem Datenschutz und sprechen euch nicht davon frei, euch an die Gesetze zu halten! Es kann durchaus sein, dass bei einer rechtlichen Bewertung ein Bild nicht so anonym wie gedacht ist. Daher: Diese Tipps bitte zusätzlich zu euren Bemühungen um Datenschutzkonformität anwenden!
Technisch heißt: Veröffentlicht nur die Daten, die sein müssen, keine Beschriftungen, Dateinamen und Metadaten, mit denen sich ein Personenbezug herstellen lässt. Metadaten wie Aufnahmedatum und Geokoordinaten (Achtung: Fotos mit dem Smartphone beinhalten die in der Regel!) sollten aus den Bilddateien entfernt werden. (Hier eine Anleitung, wie das geht.) Bei den Bildunterschriften und Dateinamen keine Namen der Kinder verwenden, sondern allgemeine Beschreibungen.
Interessant wird es aber, wenn ihr schon beim Fotografieren an die Datensparsamkeit denkt – und das heißt: Werdet bessere Fotograf*innen! Klar: Nichts zieht so sehr in ein Bild hinein wie ein gutes Porträt, ein Lächeln, ausdrucksstarke Augen. Aber damit hat man gleich alle Probleme mit personenbezogenen Daten.
Versucht deswegen gleich, datensparsam und datenschutzfreundlich zu fotografieren: Action-Szenen mit Bewegungsunschärfe, Menschen im Hintergrund durch Tiefenschärfe unkenntlich machen, kreative Ausschnittwahl über die Schulter, von hinten durch Brillengläser, mit Händen. Beispiele dafür habe ich zur Illustration dieses Artikels verwendet.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Instagram-Account der Messdiener*innen aus Hackenbroich – die achten darauf, Kinder nie identifizierbar zu zeigen, trotzdem gibt der Account einen tollen und lebendigen Einblick in das Leben der Gruppe.
Praxistipp: Datenschutz als medienpädagogische Chance
Bei allem Ärger sollten wir nicht vergessen: Datenschutz ist ein Grundrecht! Mehr dazu steht sowohl im aktuellen digitalpolitischen Beschluss des BDKJ wie in dem älteren, speziell zu Datenschutz und Grundrechten aus dem Jahr 2009. Datenschutz schützt die informationelle Selbstbestimmung, zu der das Recht am eigenen Bild gehört – als Jugendverbände haben wir die Aufgabe, Kinder darin zu unterstützen, stark und selbstbewusst zu werden. Das gilt auch für den Umgang mit ihrer digitalen Identität:
- Macht eine Gruppenstunde zum Thema „Ich online“: Sprecht darüber, was eure Gruppenkinder für Erwartungen an ihre Privatsphäre haben: Wann finden sie ein Bild peinlich? Was wollen sie von sich nicht online sehen? Wie entscheiden sie, was sie auf Instagram, WhatsApp und Snapchat posten? Welche Einstellungen wählen die Kinder bei ihren Social-Media-Accounts: Öffentlich oder privat? Und warum?
- Eure Gruppenkinder haben ziemlich sicher eh Smartphones. Bezieht die ein und macht eine Gruppenstunde mit einem Fotowettbewerb für kreative, datensparsame Fotos. Hier im Blog haben wir dafür einen Praxistipp, den die Ministrant*innen Hackenbroich für uns aufgeschrieben haben.
- Auf vielen Ferienfreizeiten ist es üblich, gemeinsam mit den Kindern Lagerregeln zu vereinbaren. Sprecht dabei auch über Social Media und trefft Vereinbarungen. „Nein heißt nein“ gilt auch online. Klar: Was das Recht vorschreibt, müsst ihr einhalten. Aber darüber hinaus könnt ihr auch weitere Regeln vereinbaren. Gibt es fotofreie Zonen oder Zeiten? Werden Fotos nur verschickt, wenn die Abgebildeten die Fotos okay finden? Verpflichtet ihr euch, erst persönlich Probleme anzusprechen, bevor ihr darüber mit anderen lästert oder sie öffentlich postet?
Auch im Umgang mit den Eltern sollte das euer Ziel sein: Nicht versuchen, auf der rechtlichen Ebene möglichst viele Einwilligungen abzuluchsen – sondern mit den Eltern in einen Dialog treten. Wichtiger als die Unterschrift auf dem Formular (die ihr aber trotzdem braucht!) ist das Vertrauen der Eltern, dass ihre Kinder bei euch gut aufgehoben sind. Ein hervorragendes Beispiel verwendet die KjG Rheinbach (Diözesanverband Köln). Florian Bohl hat uns den Brief zur Verfügung gestellt, der kurz vor dem diesjährigen Pfingstlager verschickt wurde. (Den ganzen Brief gibt’s auch zum Download.) Darin heißt es:
Zu guter Letzt haben Sie zwar alle vorab unterschrieben, dass während des Lagers Fotos Ihres Kindes für die KjG-Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden und dass diese ggf. auf Internetseiten, in Presseartikeln, in Rückblicken, auf Flyern oder in anderen Publikationen der KjG Rheinbach veröffentlicht werden und auf dem Sommerfest gezeigt werden.
Nach dem neuen Datenschutzgesetz wird eine solche allgemeine und implizit in der Anmeldung inbegriffene Erlaubnis von Ihnen nicht mehr ausreichen. Da wir dies nun nicht mehr ändern können, möchten wir Sie also hiermit darauf hinweisen, dass Sie uns jederzeit anschreiben können, wenn Sie nicht (mehr) damit einverstanden sind, dass wir Fotos von Ihrem Kind veröffentlichen, oder wenn Sie zum Beispiel nur Veröffentlichungen von Gruppenfotos zustimmen möchten.
Selbstverständlich bemühen wir uns aber sowieso, keine Fotos zu verwenden, auf denen Kinder in irgendeiner Form in peinlichen, erniedrigenden oder in anderer Weise unangenehmen Situationen zu sehen sind (und natürlich tun wir außerdem alles, um solche Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen).
Das ist ein vorbildlicher Elternbrief – transparent, ehrlich und problembewusst. Mit dieser Einstellung schafft ihr bei den Eltern Vertrauen (und informiert zugleich noch, wie das Gesetz es vorsieht, verständlich über die Datenverwendung). Und im besten Fall heißt das: Auch wenn ihr auf der rechtlichen Seite einen Fehler gemacht habt, gibt es keine Probleme, weil die Eltern lieber bei euch nachfragen als gleich die Anwältin schicken.
Habt ihr noch weitere Tipps, wie es jetzt mit Fotos vom Lager weitergeht?
Weiterlesen mit noch mehr Datenschutz: Erste Hilfe Datenschutz im Jugendverband, unsere Info-Sammlung zu DSGVO und KDG in der Jugendarbeit.
Neue Rechtsauffassung: Im Mai 2019 hat die Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten einen neuen Beschluss veröffentlicht, in dem sie ihre Rechtsauffassung verändern und weniger strenge Maßstäbe anlegen.
Ein sehr praxisnaher und hilfreicher Artikel. Vielen Dank dafür!