Twitternde Bischöfe

Auch wenn der Kölner Kardinal Woelki sich sicher ist, dass die Kirche nicht an der Nutzung moderner Kommunikationsmittel, ferner den Sozialen Medien, vorbeikommt, wenn sie viele Menschen mit ihrer Botschaft erreichen will, so ist es dennoch selten bis ungewöhnlich, dass deutsche Bischöfe über eigene Accounts auf Facebook und Twitter verfügen. Zu groß erscheint die Sorge, einem Fake aufzusitzen oder sich Trolle einzufangen, zu sicher scheint wohl die Annahme, dass pastorale Arbeit nur von Angesicht zu Angesicht möglich sei und echte Seelsorge nicht im Netz stattfinden könne.

Gerade die Plattform Twitter, wo digitale Vernetzung und Meinungsbildung nicht erst seit Donald Trump eine nicht zu unterschätzende Rolle auch im realen politischen Diskurs einnehmen, wird von Kirchenoberen als unsicheres Terrain wahrgenommen, in welchem schnelle und zugespitzte Äußerungen in 140 bzw. 280 Zeichen statt rhetorisch ausgefeilte und abwägende Hirtenbriefe ermöglicht werden.

Einige wenige Bischöfe jedoch – und nun auch seit Anfang des Jahres auch der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gebhard Fürstsind auf Twitter aktiv, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise: Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg) nutzt Twitter häufig und twittert selbst, ebenso Stefan Zekorn, Weihbischof aus Münster, der zwar weniger twittert (zuletzt im Juni 2017), aber immerhin den Account selbst bespielt. Es folgen Weihbischof Udo Bentz aus Mainz, dessen Account direkt mit seinem rege genutzten Facebook-Konto verknüpft ist und deshalb in erster Linie die Postings von dort vertwittert, aber es finden sich auch einige selbst geschriebene oder von Mitarbeitenden verfasste Tweets in seiner Timeline. Der Twitter-Account von Bischof Franz-Josef Overbeck aus Essen wirkt, als würde er automatisch mit Bistumsnachrichten bespielt: Persönliche Äußerungen des Bischofs oder gar Antworten auf Mentions erscheinen dort nicht. Im Erzbistum Berlin hat zumindest die Pressestelle erkannt, dass es sich lohnt, einen Twitter-Account für den Erzbischof Heiner Koch anzulegen, aber mit dem Hinweis „Hier twittert (noch) nicht der Erzbischof von Berlin persönlich, er ist es aber tatsächlich.“ – nun, da scheint es noch Hoffnung zu geben.

Reichweitenstärkster bischöflicher Twitter-Account im deutschsprachigen Raum ist nicht der eines deutsche Bischofs, sondern ist mit über 17.000 Followern der des Kardinals von Wien, Christoph Schönborn, auch wenn nicht klar ist, ob er selbst twittert oder twittern lässt. „Ich aber nenne euch Freunde (Joh 15,15)“ steht in seinem Profil; die Bibel-Zitate, in denen es um Follower geht, waren sicherlich zu anmaßend.

Auch Papst Franziskus lässt seine Tweets schreiben und von anderen veröffentlichen, wobei man deutlich seine Handschrift spürt. Dass es den Papst nur auf Twitter und nicht auf Facebook gibt, liegt laut Erzbischof Claudio Maria Celli, dem ehemalige Präsident des Päpstlichen Medienrats, an der Kommunikation: Man wolle sich nicht die zu erwartende Arbeit für das Community-Management einer Facebook-Seite ans Bein binden, hatte er vor einigen Jahren gesagt.

Beim „twittern lassen“ sind wir auch schon bei einem Kernkritikpunkt des Twitter-Engagements der Herren Bischöfe angekommen: Twitter ist mehr als ein verlängerter Arm der Pressestellen in den Bistümern. Twitter ist auch nicht ideal, um für Veranstaltungen und Bischofsbesuche in Altenheimen zu werben. Bei all den fragwürdigen Praktiken – die des Trollens, der Hassrede, des Shitstorms – die Twitter als Nebeneffekt bietet, ist es ein machtvolles diskursives Instrument, mit dem auch die Vertreter der Kirche sich in politische Debatten einschalten könnten, um zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage Standpunkte aus der Katholischen Soziallehre nicht nur nach dem Sender-Empfänger-Prinzip in das digitale Rauschen der Plattform zu verschicken (und versenden zu lassen), sondern aktiv Stellung zu beziehen, unbequem zu sein.

Das setzt voraus, dass sie sich als Personen hinter den Accounts mit dem Geschriebenen nicht nur identifizieren, weil sie den von ihren Mitarbeiter_innen vorbereiteten (und vermutlich bisweilen ausgedruckten) Tweet freigegeben haben (siehe das Interview mit Bischof Fürst), sondern das Medium Twitter und seine Mechanismen so zu eigen machen, dass sie sich gegebenenfalls der Diskussion mit anderen Twitter-Usern aktiv und authentisch stellen können. „Dafür habe ich keine Zeit!“ würde nun vermutlich die Antwort lauten und sie wäre sicher nicht falsch, wenn man bedenkt, wie voll ein bischöflicher Kalender sein kann. Es wäre aber auch zu vermuten, dass ein persönlicher und authentischer Einsatz in den sozialen Medien – und das wissen die Bischöfe sehr gut – sie dazu herausfordern würde, sich unliebsamen Diskussionen zu stellen, die sich eben nicht auf moderierte Podiumsdiskussionen auf Katholikentagen oder orchestrierte Firmgespräche beschränken. Auf Twitter geht den Bischöfen nämlich vor allen Dingen eines abhanden: die Kontrolle über das eigene Wort und die Hoheit über dessen Deutung. Ist ein Retweet eine Zustimmung, ist ein Reply ernstzunehmen, wie ist ein Hashtag besetzt – und muss ich auf die „Eggheads“ (wer kein Profilbild bei Twitter einstellt, dem wird ein weißes Ei auf farbigem Hintergrund zugeordnet) immer reagieren, auch wenn sie mich mit Schimpfworten überziehen? Mache ich mich angreifbar, bleibe ich anschlussfähig, kann mich nachher jemand auf die Aussage eines Tweets „festnageln“ (no pun intended)? Es ist nur allzu verständlich, dass für einen Bischof als Person öffentlichen Lebens und Interesses diese Fragen eine weitaus größere Rolle spielen als für einen durchschnittlichen Twitter-Nutzer und dass ein Bischof dabei Unterstützung aus der Pressestelle oder aus dem Mitarbeiter_innenstab in Anspruch nimmt, erscheint ebenso logisch. Trotz alledem steckt dahinter stellenweise ein tiefes Misstrauen vieler Kirchenvertreter gegenüber der digitalen Transformation und ihrer bisweilen nicht zu durchschauenden Eigenlogik, das sich in manchen Bistümern in Dienstanweisungen für pastorale Mitarbeiter_innen ausdrückt, die unter Stichworten wie „WhatsApp-Verbot“ Zugänge zu bestimmten Milieus gänzlich verunmöglicht.

Bischof Fürst hat Recht: „Wir sind noch lange nicht so weit wie wir sein wollen“ – und nach allem Anschein hat sich das Internet durchgesetzt, aber: Wie kann Kirche das Netz aktiv mitgestalten, wenn ihre Oberhirten ihm noch nicht genug zutrauen?

Autor: Anna Grebe

Dr. Anna Grebe ist Medienwissenschaftlerin und arbeitet hauptberuflich als jugendpolitische Referentin. Sie begleitet die AG Digitale Lebenswelten als Fachreferentin, war bis 2016 Mitglied des sagenumwobenen BDKJ-Webteams, kommt aus der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und lebt in Berlin.

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