So konkret ist Papst Franziskus in seinen Botschaften zum „Welttag der sozialen Kommunikation“ bisher noch nicht geworden: Waren seine Themen bisher eher pastorale Meditationen über Kernbegriffe und Themen seines Pontifikats – Familie, Barmherzigkeit –, so geht es in der diesjährigen Botschaft um ein tagesaktuelles Thema: „Fake News und Journalismus für den Frieden“ ist sie überschrieben. Und obwohl der Papst sich viel Zeit nimmt, über die Schlange im Paradies zu schreiben und was sie mit „Fake News“ zu tun hat, wird es praktisch.
Spoiler: Auch der Papst hat nicht den großen Wurf, um das Problem zu lösen. Aber auch, wenn die politische Strategie nicht ausbuchstabiert ist: Franziskus zeigt auf, worauf es individuell ankommt: Haltung.
„Fake News“ ist an sich schon ein problematischer Begriff. Nicht jede Falschmeldung, nicht jeder Fehler ist „Fake News“, Kommentare, Analysen und Einschätzungen, die nicht mit dem eigenen Weltbild übereinstimmen, auch nicht. Papst Franziskus arbeitet einen ganz treffenden Begriff von „Fake News“ heraus, indem er sie mit „Desinformation“ beschreibt: „gegenstandslose Nachrichten […], die sich auf inexistente oder verzerrte Daten stützen und darauf abzielen, den Adressaten zu täuschen, wenn nicht gar zu manipulieren. Die Verbreitung solcher Nachrichten kann gezielt erfolgen, um politische Entscheidungen zu beeinflussen oder Vorteile für wirtschaftliche Einnahmen zu erlangen.“ Wirkmächtig sind sie nach Papst Franziskus aufgrund ihrer „mimetischen Natur, in ihrer Fähigkeit der Nachahmung also, um glaubhaft zu erscheinen“. (Er weiß, wovon er schreibt – auch Papst Franziskus wird immer wieder Opfer solcher Propaganda.) „Fake News“ ist dabei als im wesentlichen soziales Problem gefasst: das Bedienen von und Spielen mit starken Emotionen, Kommunikation innerhalb von abgeschotteten Diskursräumen, die Spaltung in „uns“ gegen „die“.
Was tun dagegen? Zunächst beschränkt sich die Botschaft auf recht allgemeine Ideen: Medienbildung (ohne zu sagen, wie die aussehen könnte), „institutionelle und rechtliche Initiativen, die die Eindämmung dieses Phänomens durch entsprechende normative Maßnahmen vorantreiben“ (konkreter wird es nicht) und „das Bestreben seitens der Technologie- und Medienunternehmen, mit Hilfe neuer Kriterien nachzuweisen, wer sich hinter den Millionen von digitalen Profilen versteckt“ – rechtliche und soziale Verfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit ist dabei einerseits eine recht konkrete Maßnahme, andererseits aber doch recht hilflos: Auch wenn es sehr einleuchtend klingt, löst die Pflicht zum echten Namen die skizzierten Probleme nicht. Eine zutreffenden Problemanalyse („Fake News“ und „Hate Speech“ als soziales Phänomen von selbstverstärkenden Gruppenprozessen) wird eine oberflächliche Scheinlösung entgegengestellt.
Stärker wird die Botschaft, wenn sich der Jesuit Franziskus auf seine Kernkompetenz besinnt und den ignatianischen Begriff der „Unterscheidung“ in den Mittelpunkt stellt: Eine „Erziehung zur Wahrheit“ ist für den Papst eine „Erziehung zur Unterscheidung“: „Erziehung dazu, das Verlangen und die Neigungen, die uns bewegen, einordnen und abwägen zu lernen, damit es uns nie an Gutem fehlen möge, sodass wir dann auf die erstbeste Versuchung hereinfallen.“ Das ist als Ziel einer Medienpädogik schlüssig – allerdings als tugendethische Maßgabe, die auf die individuelle Haltung abzielt, dezidiert keine politische Lösung.
Wie die „entsprechenden normativen Vorgaben“ auszusehen haben, bleibt Franziskus schuldig – das ist unbefriedigend, aber letzten Endes eine konsequente Selbstbeschränkung des kirchlichen Lehramtes, die nicht bei allen Fragen der Soziallehre so konsequent durchgehalten wird, und die den Ball ins Feld der Praktikerinnen und Praktiker legt, beispielsweise der Jugendverbände (vgl. Christifideles Laici, Nr. 62): An denen ist es, in ihrer Arbeit eine Erziehung zur Unterscheidung zu entwickeln, um Kinder und Jugendliche stark für eine verantwortliche Mediennutzung zu machen.
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