Sortieren, Schlangestehen, Schummeln: Informatikkompetenz in der Grundschule

Informatik schon in der Grundschule und davor – braucht es das? Und was sollen Kinder dort lernen? Damit beschäftigt sich seit 2015 der Arbeitskreis „Bildungsstandards Informatik für den Primarbereich“ der Gesellschaft für Informatik (GI). Der Informatik-Didaktiker und Leiter des Arbeitskreises Ludger Humbert erklärt, worum es geht – und was Schummeln und Schlangestehen mit Informatik zu tun haben.

Robotik-Stunde
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Vor 10 Jahren wurden die Bildungsstandards Informatik für die weiterführenden Schulen vom Präsidium der Gesellschaft für Informatik verabschiedet. 2016 folgten die Bildungsstandards Informatik für die gymnasiale Oberstufe.

2015 wurde der Arbeitskreis Bildungsstandards Informatik für den
Primarbereich eingerichtet und begann mit seiner Arbeit.

Der Primarbereich umfasst die Grundschule (1.–4. Klasse) aber auch die
vorschulische Bildung, die in Deutschland nicht verpflichtend ist. Das
Gesamtpaket der von der GI damit entwickelten Kompetenzanforderungen
durchzieht die ganze Bildungsbiographie, vom ersten Kontakt mit
Informatik vor der Schulzeit bis zum mittleren Schulabschluss und zum
Abitur.

Informatik ist die Wissenschaft, die sich mit Lösungen für Probleme
beschäftigt und selbstverständlich auch mit der dahinterliegenden
Theorie. Wir sehen normalerweise nur die Oberflächen solcher Lösungen,
wenn wir mit dem Smart-TV fernsehen, wenn wir auf unser Handy schauen, wenn … (Solche Systeme werden von Informatikkundigen als „Informatiksysteme“ bezeichnet.)

Selbst Lösungen entwickeln

Damit aber alle die hinter dieser Oberfläche stattfindenden Prozesse
verstehen können, sind die Kompetenzen eine notwendige Grundlage. Da wir informatische Modellierung zur Gestaltung von Lösungen für
Problemsituationen verwenden, ist gerade im Grundschulbereich wichtig,
dass nicht zuerst gelernt wird, mit fertigen Lösungen zu arbeiten
(App-Lernen), sondern selbst Lösungen zu entwickeln.

Diese Fähigkeit trägt dazu bei, dass informatische Mündigkeit aufgebaut wird, weil man verstanden hat, wie Ergebnisse in Form von Lösungen, Apps, Programme, Algorithmen entwickelt werden. Man erfährt,
dass in dem Prozess Entscheidungen getroffen werden müssen, die einen
großen Einfluss auf die Nutzung und die Möglichkeiten der Ergebnisse der
Informatik haben.

Probleme strukturieren

Dabei ist vielen gar nicht klar, dass Informatik auch Möglichkeiten zur
Strukturierung von Problemen bietet, die nichts mit den
Informatiksystemen direkt zu tun haben. Beispiele dafür finden sich im
Alltag – auch von Kindern – wem ist schon klar, das beim „Schummeln“ im
Spiel, beim „Hintenanstellen“ aber auch beim „Vordrängeln“ an/in eine/r
Schlange Ideen der Informatik genutzt werden.

Viele, viele solcher Ideen, die zur Informatischen Bildung führen,
kommen komplett ohne die Nutzung von Informatiksystemen aus. Die meisten Prinzipien der Informatik lassen sich sogar besser verstehen, wenn gar kein Informatiksystem genutzt wird.

Aber was ist denn dann mit dem Programmieren?

Schauen wir uns die Schritte an, die dem Programmieren vorausgehen,
stellen wir fest, dass diese die Entscheidung(en) in der informatischen
Modellierung getroffen werden.

Das heißt:

Über das, was und wie im Programm aufgeschrieben oder zusammengeschoben oder zusammengeklickt wird, muss vorher entschieden werden – darüber muss man nachdenken und das kann man lernen und dazu braucht es gute Lehrpersonen, die das wirklich auch gelernt haben und können und wissen, wie man es mit Kindern gestalten kann.

Dieser Schritt ist kreativ – das Ergebnis ist dann das Programm, also
muss man die Schritte kennenlernen, die dem Programmieren vorausgehen: man muss wissen, was Daten sind, wie aus Daten Information gewonnen werden kann, wie Daten durch Algorithmen und mit Automaten verarbeitet werden, … aber lesen Sie selbst: Entwurf der „Kompetenzen für informatische Bildung im Primarbereich“

Auch wenn bereits in der Phase der Erstellung viele Menschen beteiligt werden konnten, besteht die Möglichkeit, das Entwurfsdokument weiterhin zu kommentieren. Wenn Sie das Dokument kritisch-konstruktiv kommentieren möchten, können Sie dies mit einer E‑Mail an L. Humbert.

Bis Ende Juli 2018 eingehende E‑Mails werden von den Autoren der „Kompetenzen für informatische Bildung im Primarbereich“ für die Vorbereitung des abschließenden Dokuments gesichtet. Dieses wird dann zur Verabschiedung dem Präsidium der Gesellschaft für Informatik e.V. in der Herbstsitzung 2018 vorgelegt.

Autor: Ludger Humbert

Ludger Humbert ist Informatiker (Abschluss 1. Studium 1976), Informatiklehrer (Gesamtschule), Fachleiter für Informatik (ZfsL Hamm) und Informatikfachdidaktiker (Bergische Universität Wuppertal). Im Fachgebiet Didaktik der Informatik arbeitet er mit zur Zeit drei Wissenschaftler*innen sowie zwei beauftragten Grundschullehrkräften zusammen, die das Projekt Informatik an Grundschulen durchführen.