
Glauben im Netz – wie soll das gehen? Aber eigentlich müsste man sagen: Glauben ohne Netz – wie soll das gehen? Da braucht’s gar keine Wortspiele von Menschenfischer*innen und ihren Netzen: Glauben ohne Kommunikation geht nicht. Klar, dass dann auch Glauben in digitalen Lebenswelten auftaucht.
Trotzdem tun viele sich noch schwer, angemessene Formen für eine (Jugend-)Spiritualität online zu finden. Bei „Social Media“ wird „media“
zu sehr und „social“ zu wenig betont; zu viel Senden, zu wenig Empfangen und Kommunizieren. Zu viele Facebook-Seiten, die die Homepage 1:1 spiegeln, zu wenig Gemeinschaft im Messenger.
Eins gleich am Anfang: Ich bin kein Freund von großen, publikumswirksamen Aktionen wie dem einen, großen, monolithischen „Facebook-Gottesdienst“ oder Aktionen, die allein auf Reichweite zielen. Wie Dennis Papirowski in seinem Artikel von Zielgruppen, Plattformen, Formatentwicklung schreibt, ist mir das viel zu sehr im Sender-Empfänger-Modell gedacht. Wenn das gelingt: Gut. Wenn das kommunikativ aufgefangen wird: Umso besser! Aber viel interessanter finde ich kleine, vielleicht sogar bruchstückhafte Formen, die manchmal sogar spontan wachsen und nicht durch professionellen Ressourceneinsatz wachsen, sondern weil sie von Menschen getragen werden.
Social Media, aber mehr „social“ als „media“ – das kann man auch viel pastoraltheologischer formulieren: Glauben teilen in verschiedenen Facetten. Vier verschiedene Arten, Glauben zu teilen, habe ich für einen Workshop mit Mitarbeiter*innen der Jugendpastoral im Bistum Aachen gesammelt: Leben, Klagen, Segen, Gebet teilen – und zu alle[n|m] Teilen Beispiele gesammelt.
?️ Die Folien des Vortrags gibt es hier (Google Slides).
Leben teilen
Die Würzburger Synode hat „personales Angebot“ als wichtigen Faktor kirchlicher Jugendarbeit ausgemacht; Zeuge sein, Martyria; oder einfach nur: Erkennbare Christ*innen, interessant, witzig und nahbar. Das ist eine Strategie, die einerseits aufwendig und schwer ist (weil intensiv), andererseits aber ermöglicht, auch ohne große PR- und Marketing-Skills erfolgreich zu kommunizieren.
Beispiele dafür gibt es viele: All die Priester, Ordensleute, pastoralen Mitarbeiter*innen und natürlich vor allem: all die Christ*innen, die mit ihrem Glauben online präsent sind.
Ein schönes Beispiel ist Philippa, eine Franziskusschwester aus dem Kloster Vierzehnheiligen: Sehr authentische, spritzige Kommunikation und ein guter Blick für gute Fotos. Auch auf Instagram, aber ganz anders, ist der Account des Schweinfurter Jugendpfarrers Thorsten Kneuer: Hervorragende Fotos in sehr passender Instagram-Ästhetik, christlich gedeutet. Das sind zwei Beispiele, die schon sehr professionell daherkommen – weil die beiden ein Medium gewählt haben, das für sie natürlich ist, das sie beherrschen. Das muss nicht jede*r können und nicht alle in Instagram – für andere mag es Facebook oder Twitter oder vielleicht sogar Pinterest sein. Immer geht es aber darum: Leben teilen – und dabei ansprechbar sein. Gefunden werden können, ohne sich aufzudrängen.
Klagen teilen
Katastrophen, Gewalttaten, Lebenskrisen – das treibt Menschen um, und es gibt ein großes Bedürfnis, in diesem Klagen nicht allein zu sein. Dazu braucht es nicht immer eine Lösung – schon das gemeinsame Trauern kann helfen.
Ein Beispiel dafür sind die Hashtags, die nach jedem Amoklauf, jedem Attentat in den verschiedenen Netzen aufkommen: #PrayForParis, #PrayForTexas, #PrayForLasVegas. In den USA ist nach der Schießerei in einer texanischen Baptistengemeinde kontrovers und bitter diskutiert worden: Immer nur „thoughts and prayers“, aber keine Lösungen, keine wirksame Schusswaffenregulierung. Natürlich: „thoughts and prayers“ machen niemanden lebendig und sind kein Ersatz für Politik. Aber es ist eine Form der gemeinsamen Vergewisserung von Werten, gegenseitiges Trösten und Tragen. Bei katholisch.de reagieren wir immer schnell auf Tragödien – weil wir feststellen, dass das unsere Aufgabe als Kirche im Netz ist: Das Klagen, die Trauer der Menschen zu teilen, in ihrer Timeline einen kurzen Moment des Gedenkens zu ermöglichen. Das sind sehr einfache Inhalte: Schwarze Grafik, „Herr erbarme dich“, Hashtag. Dazu ein einfaches Gebet – aber das genügt völlig.
Die Kommentare sind fast durchweg positiv, die Leute schreiben „Amen“ und „Danke“ – weil wir zur richtigen Zeit einfache Worte zu finden versuchen, die nicht alles pastoral zudecken, die keine allzu einfachen Antworten zu geben versuchen.
Segen teilen
So einfach wie Klagen aufzunehmen ist es auch, Segen zu teilen: Segen ist das billigste und gehört gleichzeitig zum wertvollsten, was die Kirche zu verteilen hat. Und es muss gar nicht kompliziert sein.
Ein erfolgreiches Format sind die kurzen Segenshandlungen, die wir bei katholisch.de gemeinsam mit dem Bonner Münster immer wieder im Programm haben: Klassische Segen aus dem Schatz der Kirche wie etwa der Blasiussegen. Fragen, ob das wirklich „gültig“ ist, sind sekundär (und eigentlich auch geklärt: Wenn ein vollkommener Ablass durch die Radioübertragung des „Urbi et orbi“ unter den üblichen Bedingungen erworben werden kann – warum sollte dann nicht auch ein Segen „zählen“, der per Facebook live gespendet wird?).
Wichtig ist der Zuspruch Gottes – und das wird geschätzt Auch hier sind die Kommentare überwältigend positiv, wertschätzend und dankbar. Durch die Kommentare wird das Format auch von einer reinen Sendung zu einem gemeinsamen Gottesdienst: Aktive Teilhabe durch die Kommentarspalte.
Gebet teilen
Noch deutlicher wird die aktive Teilhabe, wenn das Format von vornherein nur aus Dialogischem besteht. Es gibt gleich mehrere interessante Gebetsinitiativen, die so funktionieren.
- Dazu gehören die Twitter-Gebetsgruppen #twaudes und #twomplet, die völlig ohne institutionelle Anbindung seit Jahren jeden Morgen und jeden Abend Menschen zum Gebet versammeln – und zwar sowohl ökumenisch wie kirchliche Lager überspannend: Eine Person bereitet das jeweilige Gebet vor, andere beteiligen sich mit Fürbitten, Gedanken, Likes und Retweets.
- „Einfach gemeinsam beten“ ist eine Initiative des Bistums Augsburg: In kleine WhatsApp-Gebetsgruppen wird ein Impuls gegeben, die Gruppen beten selbstständig 15 Minuten am Tag. Einfach, überschaubar, dezentral, aber gleichzeitig rückgebunden an die größere Gemeinschaft und in Treffen der Gebetsgruppe.
- Ein ähnliches Format ist die Speyerer Netzgemeinde da_zwischen: Ein Impuls beginnt die Woche, das Denken und Beten darüber prägt sie. Der Initiator Felix Goldinger hat hier schon darüber berichtet.
Glauben teilen: Leben, Klagen, Segen, Gebet teilen
Die vier Arten des Teilens sind kein Erfolgsrezept; keine Formel, mit der man auf jeden Fall ein erfolgreiches Projekt auf die Beine stellt. Aber sie sind Anhaltspunkte, wie man Lebensthemen von Menschen und deren Art, zu kommunizieren, aufgreift.
Und welche Glaubensangebote im Netz findest Du besonders gut? Schreib’s in die Kommentare!