ARD und ZDF haben ihre Onlinestudie 2017 veröffentlicht, die Menschen ab 14 in Deutschland aufs Display schaut. Eine wichtige Erkenntnis, wenn man die Studie mit Blick auf junge Menschen analysiert: Die Entscheider*innen-Generation lebt in einer anderen Welt.
Die veröffentlichten Zahlen differenzieren leider nicht ganz scharf zwischen den Altersgruppen; Zahlen werden für 14- bis 19-Jährige (im folgenden: U20) und für 14– bis 29-Jährige (U30) ausgewiesen sowie für drei ältere Altersgruppen. Leider fehlt die Ausweisung der 15– bis 29-Jährigen, so dass man die Unterschiede zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht genau ablesen kann – für genauere Zahlen zu Jugendlichen müssen wir also noch auf die JIM-Studie warten, die üblicherweise im November erscheint.
tl;dr: Was steht drin über Jugendliche?
- 14- bis 29-Jährige nutzen das Internet 4 Stunden 34 Minuten täglich, 29 Minuten mehr als bei der Studie 2016. Davon entfallen 1:56 Stunden auf mediale Nutzung, 1:42 Stunden auf individuelle Kommunikation und 0:56 Stunden auf „Sonstiges“.
- Interessant ist der Vergleich, wie sich die Nutzung auf verschiedene Altersgruppen aufteilt: Je älter die Menschen werden (bis U70), desto größer wird der Anteil dessen, was als „sonstige Nutzung“ klassifiziert wird, also Nutzung, die weder Kommunikation noch Medienkonsum ist. Am größten ist der Unterschied bei der medialen Nutzung: Die U20-Gruppe verbringt damit 134 Minuten am Tag (50 Prozent ihrer Internetnutzung), die Gruppe von 50–69 Jahren nur 11 Minuten (11 Prozent). Während Streaming von Filmen und Musik für jüngere sehr wichtig ist, schauen die 50- bis 69-Jährigen am Tag im Schnitt eine Minute YouTube und hören zwei Minuten Musik per Stream. Das ist deshalb wichtig, weil die Gruppe von 50–69 Jahren die Entscheider*innen in Politik und Medienhäusern bildet: Also die Leute, die die Rahmenbedingungen und die strategische Planung bestimmen, vom Breitbandausbau bis zur Frage, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk online darf.
- 97 Prozent der U30-Gruppe nutzt das Netz mobil, nochmal 5 Prozentpunkte mehr als 2016. 0,0 Prozent der U30-Gruppe gehört zu den Offliner*innen. Immer mehr zeigt sich: „Digital Divide“ ist immer weniger eine Frage des Zugangs überhaupt, sondern ein Thema, das man qualitativ und medienpädagogisch betrachten muss – nicht: „Haben die Leute überhaupt Zugang, und wo legen wir Kabel?“, sondern: „Was machen sie draus, und wie können wir sie befähigen?“
- Aufschlussreich ist die nach Alter aufgeschlüsselte Social-Media-Nutzung (alle Prozentangaben beziehen sich auf mindestens wöchentliche Nutzung):
- Nur WhatsApp wird von allen Altersgruppen unter 70 mehrheitlich genutzt; Die U30-Gruppe nutzt den Messenger zu 90 Prozent.
- In Facebook schaut immerhin noch die Hälfte der U20-Gruppe rein – nimmt man zu dieser Gruppe noch die U30 dazu, kommt man auf 59 Prozent, bei den Älteren nimmt die Nutzung deutlich ab.
- Instagram liegt bei den U20 mit 51 Prozent vorne, schon bei den U30 geht’s rapide nach unten mit 36 Prozent, ab 30 Jahren sinkt die Nutzung sogar auf 6 Prozent.
- Noch krasser ist die Altersverteilung bei Snapchat: 43 Prozent U20, 28 Prozent U30 (und bei dieser Gruppe sind die mindestens 14-Jährigen auch dabei!), danach quasi niemand.
- Bei der täglichen Nutzung liegen Facebook, Instagram und Snapchat mit etwa 30 Prozent ungefähr gleichauf.
- Überraschend ist, dass Twitter bei der U20-Gruppe als einziger Altersgruppe zweistellig (11 Prozent) ist, obwohl der Dienst in Deutschland den Ruf hat, dass man dort nur Politiker*innen, Journalist*innen und andere, die „was mit Medien“ machen, findet. Die Erklärung liegt wahrscheinlich in der enormen Reichweite von YouTuber*innen und anderen für die Altersgruppe wichtigen Stars. Dafür spricht auch, dass bei der Betrachtung der täglichen Nutzung so gut wie kein Unterschied zwischen 14 und 49 Jahren herausgefunden wurde (3–2 Prozent) – man schaut also anscheinend zwar gelegentlich rein, aber ein wichtiger Kommunikationskanal wie WhatsApp (90 Prozent tägliche Nutzung) ist Twitter nicht.
Fazit
- Für die Online-Strategie von Jugendverbänden ist die Studie nicht detailliert genug – dazu müsste man wissen, wie Jugendliche und junge Erwachsene die jeweiligen Kanäle nutzen. Eins kann man aber sicher sagen: Kommunikation über Messenger bleibt wichtig und wird immer wichtiger – bei der Entscheidung über den Kommunikationsmix eines Jugendverbandes sollte auf jeden Fall mindestens über WhatsApp diskutiert werden.
- Es reicht nicht, darüber zu reden, ob Menschen Zugang zum Netz haben. Das haben die allermeisten, die das wollen. (Wenn auch nicht alle so gut, wie gut wäre – Stichworte wie ländlicher Raum, Berechnung des Hartz-IV-Satzes, Schulen und Unterkünfte für Geflüchtete müssen hier genügen.) Aber sind sie auch in der Lage, die technischen Voraussetzungen in Chancen zu übertragen? Können sie Informationen finden, einordnen, bewerten und nutzen? Fühlen sie sich sicher? Können sie ihre informationelle Selbstbestimmung wahrnehmen? Sind sie Mobbing und Belästigung ausgesetzt?
- Die wichtigste Erkenntnis ist der Digital Divide zwischen jungen Nutzer*innen und der Entscheider*innen-Altersgruppe: In der Medienpolitik braucht es dringend die Stimme der Jugend – in den Rundfunkräten, in den Parlamenten, in den Medienhäusern und Journalist*innen-Verbänden. Sonst wird der Rahmen für Kommunikation und Medien von Leuten gemacht, die das Nutzungsverhalten der jungen Generation höchstens von ihren Kindern und Enkeln kennen.