Dies ist ein Beitrag zur Blogparade „Jugendarbeit im digitalen Wandel“, an der sich Martin Diem, Mitglied der AG Digitale Lebenswelten des BDKJ-Bundesverbandes“, in Form eines Kommentars beteiligt.
„Medien“ wird im Alltag gleichbedeutend mit „Kommunikationsmittel“ verwandt, also Dingen, die Informationen zwischen Menschen transportieren. Dies sind zum Beispiel Fernseher, Radio, Zeitungen, internetfähige Endgeräte mit den entsprechenden Kanälen (Snapchat, WhatsApp, Facebook…), Telefone… . Diese Begriffsannäherung zeigt das große undifferenzierte Feld dieser Fragestellung. Ein Teil der menschlichen Kommunikation findet in, über und durch diese „Medien“ statt.
Die Nutzung von Medien lässt sich, auch in einer auf direkte Interaktion ausgelegten Jugend(verbands)arbeit, kaum vermeiden.
Wenn eine Gruppe Montagsmaler spielt, dann braucht es im engeren Sinne Medien, nämlich Papier und einen Stift. Die Hilfsmittel zum gemeinsamen Spiel können daher eher als Material denn als Medien bezeichnet werden, welches Menschen zusammen und untereinander in direkter Kommunikation und Interaktion bringt.
Für alle Angebote bleibt die Frage: Wie kommen die Kinder und Jugendlichen zusammen? Wie finden vorbereitende Absprachen statt und wie werden Ort und Zeit kommuniziert? Wenn Angebotsmaterial keine Medien sind, wann benötigt man dann überhaupt noch Medien bei der Durchführung von Angeboten?
Mediennutzung bei Angeboten
Bei der Mediennutzung bei Angeboten kann unterschieden werden zwischen der Nutzung zur Vorbereitung und Planung und der Nutzung bei der Durchführung von Angeboten. Bei der Planung ist es oft hilfreich auf Medien zurück zu greifen. Sich verabreden, Informationen zusammensuchen und Abläufe erstellen ist meist mit einem geringeren Aufwand verbunden, wenn auf verbindende Medien oder auf Datenbanken zurückgegriffen werden kann. Wenn alle Kinder über eine eigene WhatsApp-Gruppe über den Ort und die Zeit für das Fußballspiel informiert werden, ein Kind aber kein Mobilgerät mit entsprechendem Messenger besitzt, muss entweder einer der Beteiligten andere Kinder informieren, was einen deutlichen Mehraufwand für denjenigen bedeutet, oder das Kind bleibt ausgeschlossen, weil es diese Informationen gar nicht bekommt. Im Gedanken der Teilhabegerechtigkeit schließt dieses medienbasierte Vorgehen also von vornherein Kinder und Jugendliche aus oder macht die Teilhabe schwerer möglich.
Für die Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit medienfreier Angebote spielt die Frage des Zusammenkommens aber eine untergeordnete Rolle. Die Organisatoren sollten sich dennoch fragen, ob durch die Mediennutzung im Vorfeld eine gewollte Teilhabe von Interakteuren verhindert wird.
Was wollen Kinder?
Aus der Kindermedienstudie 2017 geht hervor, dass Kinder im Alter zwischen 4 und 13 Jahren ihre Freizeit am meisten damit verbringen, dass sie mit Freunden zusammen sind und im Freien spielen. Für das gemeinsame Spielen nutzen sie eher keine Medien. Die direkte Interaktion ohne Nutzung von Medien scheint somit ein erstrebenswerter Zeitvertreib aus der Sicht von Kindern zu sein. Die Mediennutzung dient hier eher zur Verabredung als dem „Angebot“. Dies lässt den Schluss zu, dass Kinder bis mindestens 13 Jahren nicht grundsätzlich mediengestützte Angebote für ihre Entwicklung benötigen. Medienfreie Angebote sind für dieses Alter mindestens sinnvoll, wenn Kinder gesellschaftsfähige direkte Interaktion lernen sollen.
Sind medienfreie Angebote notwendig oder nicht?
Bei der Durchführung bestimmter Angebote erscheint es wenig sinnvoll auf Medien zu verzichten, wie zum Beispiel bei Leitersuchspielen mit der Notwendigkeit aktuelle Informationen für den Spielfortgang zu erlangen (Scotland Yard), InstaWalk oder Pokemon-Go-Erkundungen.
Trotzdem kann die Frage nach der Notwendigkeit medienfreier Angebote, mindestens in der Jugendverbandsarbeit, eindeutig mit „JA“ beantwortet werden.
Die Jugendverbandsarbeit beruht zu weiten Teilen darauf, dass sich Gruppen face-to-face treffen. Es geht darum, in der Gemeinschaft Zeit zu verbringen, in einem geschützten Rahmen Verantwortung zu übernehmen und daran zu wachsen. Diese Grundanliegen sind mit einer dauerhaften Mediennutzung bei Ferienfreizeiten und Gruppenstunden wohl kaum vereinbar. Es lohnt sich hierbei aber ein differenzierter Blick auf die einzelnen Angebote, die man macht. Das eindeutige „JA“ ist nicht gleichbedeutend mit einer grundsätzlichen Ablehnung von Medien. Vielmehr sollten Leiterinnen und Leiter sich die Frage stellen, ob die Mediennutzung für ein Angebot oder die Teilnehmenden einen Mehrwert bringen oder nicht?
Hierauf gibt es nicht immer eine klare Antwort. Ein Beispiel zur Verdeutlichung können erlebnispädagogische Übungen und Gruppenspiele aufzeigen. Bei einer Übung, in der es darum geht, jemanden aus der Gruppe aufzufangen, gemeinsam einen Parcours zu meistern oder Kletterübungen im Hochseilgarten, ist die Sicherung von Beteiligten bei gleichzeitiger Nutzung eines Mobiltelefons oder die zusätzliche Dauerbeschallung durch ein Radio gefährlich und gehört sicherlich eindeutig verboten. Bei anderen (erlebnispädagogischen) Übungen lenkt die zeitgleiche Mediennutzung so ab, dass dies das Erlebnis schmälert oder verhindern und damit auch die daraus resultierenden eigenen Entwicklungserkenntnisse. Hier ist eine Mediennutzung also mindestens ungünstig. Ein grundsätzliches Medienverbot bei diesen Angeboten ist dennoch nicht angebracht. Wenn eine Gruppe geteilt werden muss, weil die Gruppe zu groß für eine Übung ist, dürfen diejenigen, die warten müssen, dann ihr Handy benutzen? Dürfen sie damit zum Beispiel jemandem, der an dem Angebot teilnehmen wollte, es aber nicht konnte, eine Gruppenzugehörigkeit durch Liveberichterstattung ermöglichen?
Wieder stellt sich die Frage ob die Mediennutzung für das Angebot oder die Beteiligten einen Mehrwert bringt oder nicht. So könnte es z.B. sinnvoll sein, grundsätzlich Mobiltelefone zu verbieten, jemandem mit gebrochenen Fuß, der nur daneben stehen würde, aber genau dies zu erlauben, um die Übung und den Erfolge für alle zu dokumentieren. Hieraus ergibt sich eine Beteiligung von jemandem, der vorher vielleicht an einer Übung nicht teilnehmen konnte, durch die Nutzung eines Mediums eine wichtige Rolle einzunehmen, um weiterhin Teil der Gruppe zu sein. Damit kann auch bei grundsätzlich medienfreien Angeboten ein verantwortungsbewusster Einsatz von Medien sinnvoll sein.